Kann man Weihnachten falsch feiern? Diese Frage liegt jedenfalls nahe, wenn man die jährlich wiederkehrenden Ratschläge liest, die ein friedvolles Weihnachtsfest bescheren sollen. Offenkundig wird Weihnachten vieles falsch gemacht, dass es solcher Hinweise bedarf. So ein Weihnachtsfest scheint tatsächlich kompliziert zu sein, dass es einer Anleitung bedarf. Was glauben Sie denn?
Auch die Kirchen weisen alle Jahre wieder darauf hin, wie man gefälligst „richtig“ Weihnachten feiert. Das fängt schon im Advent an. Der sollte still sein und der Einkehr dienen. Schon gar nicht sollte man durch die Innenstädte eilen, um Geschenke zu kaufen. Die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes ist schon eine teuflische Sache … Wenn man schon eilt, dann bestenfalls zur Krippe …
Das Weihnachtsfest ist bedeutungs- und erwartungsvoll aufgeladen. Es ist ein Fest mit hoher Fallhöhe. Allerdings stellt sich die Frage, wer eigentlich definiert, wie man richtig Weihnachten feiert. Im Zeitalter der Internets, in der viele Innenstädte – auch die Wuppertals – nach einer neuen Identität suchen, ist das mit der vermeintlichen Hetzerei so eine Sache. Eher stehen die Leute an Glühweinständen und genießen die vorweihnachtliche Atmosphäre. Auch was den Kauf von Geschenken angeht, ist Konsumkritik doch ein wenig wohlfeil. Kann man sich Weihnachten wirklich ohne Geschenke vorstellen? Selbst der religionskritischste Atheist wird seinen Liebsten am Heiligen Abend ein Präsent überreichen. Alles andere wäre dann doch zu gnadenlos. Auch die Sache mit der adventlichen Stille wird wohl eher überschätzt. Biblisch ist sie jedenfalls nicht. Im Lukasevangelium (vgl. Lk 1,39-56) etwa eilt (!) Maria vor der Geburt Jesu ins judäische Bergland zu ihrer Cousine Elisabeth, die sie überschwänglich begrüßt, während Maria jubelnd antwortet, dass die Zeit kommt, in der Gott die Mächtigen vom Thron stößt, um die Niedrigen zu erhöhen. In der ersten Weihnacht jubeln ganze Engelchöre. Nichts gegen Stille – die kann sehr erholsam sein – aber still und ruhig war sie nicht, die Heilige Nacht in Bethlehem.
Woher aber kommt der nicht nur kirchliche Drang, den Menschen zu sagen, wie man Advent und Weihnachten richtig zu feiern habe? Vielleicht rührt sie von der harten Selbsterkenntnis, dass die Menschen Weihnachten feiern, wie sie wollen. Der bußfertige Advent ist zur freudigen Vorweihnachtszeit geworden. Ist das schlimm? Wohl kaum. Traditionen sind eben keine unwandelbaren Zustände, sondern Prozesse, die sich dynamisch entwickeln.
Die gute Nachricht: Weihnachten ist weiter wichtig. Am Heiligen Abend wird es dann doch still sein in der Stadt, wenn in den Häusern, Familien und auch in der Historischen Stadthalle gefeiert wird. Wir werden alle wissen, was die anderen dann tun. Wenigstens in dieser Nacht werden sich alle einig sein. Ob sie glauben oder nicht: Sie werden auf ihre Weise Weihnachten feiern – mit Freude, mit Sehnsucht, vielleicht mit trauriger Erinnerung an frühere Weihnachten.
Christen feiern in der Heiligen Nacht, wie Gott zur Welt kam – und erhoffen seine Wiederkunft. Wenn man den alten Geschichten Glauben schenkt, war das alles wenig spektakulär. Paulus stellt lapidar fest:
„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4)
– nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wer weiß: Vielleicht ist er längst wieder da, mitten unter den Menschen, wo es ihm immer schon gefallen hat. Nicht ohne Grund hat man ihm wohl vorgeworfen, er sei
„ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder“ (Lk 7,34).
Nichts gegen ergreifende adventliche Konzerte, die die Seele erheben – möglicherweise ist man dem, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, aber auch in der fröhliche Atmosphäre im Lichterglanz adventlicher Glühweinstände näher, als mancher Fromme meint. Er ist doch der „Ich bin da“! Ob sie glauben oder nicht: Weihnachten wird gefeiert, weil der Sohn Gottes zur Welt kam. Lassen Sie sich nicht beirren: Feiern Sie Weihnachten – aber richtig!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 15. Dezember 2023.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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